Basiselterngeld oder Elterngeld Plus nehmen? Wie erhält man die größte Gesamtsumme?
Mit der Einführung von „Elterngeld Plus“ ist das ganze Regelwerk rund um die Berechnung von Elterngeld noch schwerer zu durchschauen geworden. Doch aufgeben hilft nicht, wenn man möglichst viel für sich und die frisch gebackene Familie herausholen will.
Dabei gilt es nicht nur die verschiedenen Auszahlungsvarianten zu durchschauen und abzuwägen: Welches Elternteil soll wann und für wie lange Elterngeldzahlung beantragen, um die gesetzlich eingeräumten Rechte und Spielräume optimal auszunutzen? Zusätzlich gilt es auch, steuerliche Möglichkeiten bei der „Gestaltung“ seines Einkommens VOR der Geburt, letztlich aber auch NACH der Geburt clever zu nutzen.
Denn: Für die Höhe des tatsächlich ausgezahlten Elterngeldes zählt einerseits das, was die Elterngeldstelle als „Einkommen vor der Geburt“ festsetzt und damit zur Bemessungsgrundlage für das Elterngeld macht. Hier hat man das Gefühl: Je mehr man sich dazu durchliest, umso unklarer wird es. Umso mehr Regelungen und Besonderheiten tauchen auf, was wann berücksichtigt wird, was ausgeblendet werden muss, was ausgeblendet werden kann, was nach tatsächlichen Gegegebenheiten kalkuliert wird und was einfach pauschal angesetzt wird.
Jede Variante durchzuspielen, können wohl nur die Experten bei den Elterngeld-Stellen an sich und ggf. schon mehrfach mit der Thematik beschäftigte Steuerberater. Unser Wunsch, die Frage nach dem „Elterngeld optimieren“ in einem kompakten Artikel umfänglich darzustellen, stellte sich demnach schnell als völlig unrealistisch und kaum machbar heraus. Als besonders hilfreich bei der fundierten Recherche fanden wir aber http://www.steuertipps.de/kinder-familie-ehe bzw. das dort für 3,99 EUR erwerbbare eBook/PDF „Elterngeld: Vor der Geburt planen, mehr bekommen“. Beim Durchlesen der 42 Seiten dieses PDFs fiel uns schnell auf, dass bestimmte Konstellationen am ehesten noch mit einem Steuerberater zu realisieren sind. Vor allen Dingen aber auch: dass der Gesetzgeber die Regelungen derart gestaltet hat, dass man früh mit dem „Gestalten“ beginnen muss, vor allem was den eventuellen Wechsel von Steuerklassen betrifft. So heißt es dann auch im o.g. eBook:
[quote]Ein Wechsel der Steuerklassen-Kombination würde bei Ihnen zu einem höheren Elterngeld führen? So verrückt es klingt: Sobald Sie Ihren Kinderwunsch »umsetzen« möchten, sollten Sie beim Finanzamt einen Antrag auf Änderung der Steuerklassen stellen.[/quote]
Durch frühzeitigen Steuerklassen-Wechsel mehr Elterngeld erhalten?
Überlegungen zum Steuerklassen-Wechsel für mehr Elterngeld beruhen darauf, dass man ein möglichst hohes Nettogehalt als Grundlage der Berechnung für das Elterngeld ausweisen möchte. Die Überlegung bei verheirateten (oder diesbezüglich steuerlich gleichgestellten) Paaren: Der Partner, der tendenziell am längsten / meisten Elterngeld in Anspruch nehmen wird, sollte die günstigere Steuerklasse haben. Beispiel: Man geht z.B. davon aus, dass die Frau ganze 12 Monate Elterngeld beziehen wird. Die Höhe und damit der Gesamtumfang des Elterngeldes wird also nach der Geburt maßgeblich vom regelmäßigen Einkommen der Frau vor der Geburt abhängen als Bemessungs- bzw. Berechnungsgrundlage. Und da man hier möglichst viel regelmäßiges Netto-Einkommen ausweisen will, kann es sinnvoll sein, dass die Frau und zukünftige Mutter die günstigere Lohnsteuerklasse III mit weniger Lohnsteuer-Abzug wählt und der Mann die ungünstigere Lohnsteuerklasse V mit überdurchschnittlich hohem Abzug. So weit die allgemeine, grundsätzliche Theorie.
Doch: Der Gesetzgeber will die Staatsfinanzen möglichst vor aus seiner Sicht „mißbräuchlicher“ „Gestaltung“ schützen, weswegen es für diesen „Trick“ eine ganze Reihe Besonderheiten zu beachten gilt. Wie das o.g. Zitat vereinfacht schon andeutet: Der Wechsel muss ziemlich früh vor der Geburt vorgenommen werden, damit die neue günstigere Steuerklasse für die Berechnung herangezogen / anerkannt wird. Die Grundregel oder „Fausregel“ hier: die gewünschte Steuerklasse muss in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten haben. Vereinfacht würde man denken: „Okay, die Elterngeldstelle schaut auf die letzten 12 Monate vor der Geburt, dann muss ich also mindestens 6-7 Monate vor der Geburt den Wechsel vollziehen und die geänderten Lohnsteuerklassen eintragen lassen / anmelden.“ Doch diese Rechnung kann in diversen Fällen nach hinten losgehen, sprich nicht ausreichen. Der Knackpunkt liegt im Wort „Bemessungszeitraum“. So kann es sein, dass der letzte Monate vor der Geburt z.B. nicht zum Bemessungszeitraum zählt, und man z.B. die Monate 13 bis 2 vor der Geburt als Bemessungszeit heranzieht oder gar noch weiter in die Vergangenheit geht. Hierfür kann es verschiedene Gründe geben, z.B. Krankheitsmonate vor der Geburt. Diese gelten dann nicht als „repräsentative“ Verdienstmonate und werden unter Umständen und komplizierten Regelungen zwangweise oder auf Antrag ausgeblendet. So kann es sein, dass man zwar 7 Monate vor der Geburt die Steuerklassen gewechselt hat und glaubt, alles wird schon passen. Doch statt dessen werden Zeitblöcke zum Bemessungszeitraum erklärt, in denen man eben nicht mehrheitlich die gewünschte Steuerklasse hatte. Deshalb: Wechsel so früh wie nötig vornehmen, wenn das planbar und im individuellen Haushaltsfall sinnvoll ist.
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Wann macht der Steuerklassenwechsel keinen Sinn?
Hat man unabhängig von der Steuerklasse so oder so ein Monatsnetto jenseits von ~2770 EUR, bringt die Steuerklassen-Gestaltung in aller Regel nicht mehr Elterngeld, da man so oder so den Höchstsatz bekommt. Einzelfälle mögen individuell anders gelagert sein; bei entsprechenden Einkommen ist ein Beratungsgespräch bei einem Steuerberater zum Thema ‚Elterngeld optimieren‘ jedoch in der Regel drin :-)[/box]
Jegliche „Sonderzahlungen“ vom Arbeitgeber gestreckt als „Regeleinkommen“ auszahlen
Sie erhalten voraussichtlich nicht den Elterngeld-Höchstsatz, weil Sie ein eher mittleres oder geringes Einkommen haben? In diesem Fall lässt das Elterngeld unter Umständen noch weiter optimieren. Denn: In vielen Jobs und Firmen wird die Vergütung nicht in 12,0 monatlich gleichen Gehältern ausgezahlt, sondern die monatliche Zahlung kann durch Einmalzahlungen / Sonderzahlungen im Laufe des Jahres auch mal unterschiedlich ausfallen: Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Boni / Gewinnbeteiligung, ausbezahlte Überstunden sind hier nur einige gängige Schlagwörter. Im o.g. PDF von steuertipps.de heißt es dazu:
[quote]Zahlt Ihr Arbeitgeber Ihnen sonstige Bezüge, zum Beispiel ein Weihnachtsgeld oder eine jährliche Gewinnbeteiligung? Haben Sie Überstunden angesammelt? Dann sollten Sie Ihren Arbeitgeber fragen, ob er Ihnen die sonstigen Bezüge auf das Jahr verteilt als laufende Einnahmen zahlt oder Ihnen die Überstunden auszahlt. Beides führt zu einem höheren Einkommen und kann ein höheres Elterngeld auslösen.[/quote]
Die o.g. Formulierung müsste man jedoch noch spezifizieren: Beides führt zu einem höheren regelmäßigen (Durchschnitts-) Einkommen. Denn darum geht es ja: Das Elterngeld bemisst sich am Einkommensausfall während der Elternzeit, und für die Ermittlung des Einkommensausfalls werden nur die regelmäßigen Gehaltszahlungen im Sinne des „Grundgehalts“ berücksichtigt. Wenn man hier mit Chef und Lohnbuchhaltung vereinbaren kann, dass eine Ihnen zustehende Zahlung von 3600 EUR auf 12 Monate à 300 EUR als normaler Regellohn ausgezahlt wird, dann können Sie diese Zahlung erhöhend in die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld einfließen lassen und Ihr zukünftiges Elterngeld optimieren. – Allerdings setzt dies natürlich voraus, dass man den Kinderwunsch sehr langfristig und geplant angeht und dem Chef dies auch kommunizieren kann / mag.
Bei Selbstständigen / Freiberuflern: Gewinn vor der Geburt gestalten und steuern
Ist ein (bald) Elterngeld-berechtigter Partner selbstständig / freiberuflich tätig? Dann stellt sich auch hier die Frage: Was genau wird als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Höhe des Elterngeldes genutzt? Sprich: Was genau wertet die Elterngeldstelle als regelmäßiges Einkommen? Und im Gegensatz zum sonst üblichen Ansatz hinsichtlich Gewinnermittlung und Steuererklärung wollen Sie hier „möglichst viel Gewinn“ zeigen.
Dabei haben Freiberufler im Gegensatz zu Gewerbetreibenden mit z.B. Kapitalgesellschaften den einen oder anderen Vorteil beim „Elterngeld optimieren“. So gilt bei Einnahme-Überschuss-Rechnern in der Regel das „Zufluss-Prinzip“, d.h. es wird nicht geschaut, wann eine Leistung tatsächlich erbracht und berechnet wurde, sondern wann das Geld auf Ihrem Konto eingegangen ist. Dies ermöglicht verschiedene Spielräume bzw. Gestaltungsmöglichkeiten:
- Versuchen Sie, im maßgeblichen Zeitraum möglichst viele Geldeingänge zu erhalten. Wenn Sie nicht zwingend darauf angewiesen sind, jede Leistung sofort abzurechnen, warten Sie mit der Rechnungslegung bzw. Auszahlungsanforderung ggf. so lange, bis eine Schwangerschaft feststeht. (Viele Freiberufler arbeiten über Online-Marktplätze, wo sie zum Beispiel viele Kleinaufträge vieler verschiedener Auftraggeber umsetzen und die Vergütung für die abgewickelten Aufträge zentral beim Marktplatz gesammelt wird, bis man eine Auszahlung anfordert.)
- Wenn wenige Wochen vor der Geburt noch ein größerer / längerer Auftrag ansteht und der Auftraggeber das mitmacht: Lassen Sie sich eine größere Anzahlung geben, die dann noch im Bemessungszeitraum für das Elterngeld auf Ihrem Konto eingeht. Dadurch gewinnen Sie gleich doppelt: In der Zeit VOR der Geburt weisen Sie ein höheres Einkommen aus, in der Zeit NACH der Geburt ein niedrigeres. Je größer die Diskrepanz, um so größer der kalkulatorische Einkommensausfall. Und das Elterngeld soll ja den Einkommensausfall auffangen.
Wichtig ist aber auch: Es gibt ziemlich viele Sonderregeln, was wann bei Selbstständigen eingerechnet werden muss. Komplizierter wird es auch noch, wenn man kombinierte Einkommen aus sowohl nichtselbstständiger Tätigkeit und selbstständiger / freiberuflicher Tätigkeit erzielt. Schwierig wird es zudem, wenn im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit Verluste erzielt wurden, z.B. hinsichtlich der Verrechnung bzw. Nichtverrechenbarkeit mit anderen Einkünften etc. pp. – Fragen Sie Ihren Steuerberater!
ElterngeldPlus nutzen, Elterngeld strecken, Steuerprogression abmildern
Elterngeld ist zwar grundsätzlich nicht zu versteuern. Allerdings gilt für die erhaltenen Zahlungen der so genannte „Progressionsvorbehalt“. Ein Bild erklärt das tendenziell besser als Tausend Worte, daher untenstehender Screenshot aus der Wikipedia. Kurz und vereinfacht: Das Elterngeld selbst wird nicht besteuert, jedoch führt es zu einer höheren Belastung des restlichen Einkommens. Der Steuersatz auf das restliche Einkommen steigt also geringfügig.
Die obige Tabelle aus der Wikipedia zeigt, dass solche „Einkünfte wie Elterngeld, die dem Progressionsvorgehalt unterliegen“, schon zu einer ordentlichen Steuermehrbelastung führen können. Diese Mehrbelastung wird umso größer, je höher das Elterngeld ausfällt und je höher das sonstige „Resteinkommen“ im Haushalt während der Elternzeit ist.
Bei Gutverdienern kann die steuerliche Mehrbelastung aufgrund des Progressionsvorbehaltes des Elterngeldes schon zu einer Steuermehrbelastung von mehreren Tausend Euro führen. Deswegen sind Besserverdienende hier oft interessiert, wie man diesen Effekt mindern und das effektive Elterngeld optimieren kann. – Das Elterngeld Plus kann hier als Alternative zum „normalen“, „klassischen“ Elterngeld eine Lösung sein, auch wenn dies Effekt sicher vom Gesetzgeber nicht primär im Blickpunkt gewesen ist.
Worum geht es im Prinzip: Wer seinen Elterngeld-Anspruch statt auf 12-14 Monate im Rahmen von ELTERNGELDplus und ggf. Partnerschaftsmonaten auf 24-28 Monate „streckt“, erreicht damit unter Umständen, dass die Gesamtsumme des erhaltenen Elterngelds über drei verschiedene Kalender- und damit Steuerjahre vereilt wird. Statt z.B. 20.000 EUR Elterngeld in einem einzigen Steuerjahr als „Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen“ einzubuchen, verteilt sich dies dann z.B. als 5000-12000-3000. Dann hat man zwar 3 Steuerjahre lang eine Mehrbelastung im Kontext des Progressionsvorbehalts, allerdings ist die Summe der drei Mehrbelastungen geringer, als wenn man allen Kindergeldanspruch in einem (oder zwei) Steuerjahr(en) empfangen hätte.
Aber: Um sich sein Elterngeld im Rahmen des Plus-Konzepts auf maximal 28 Monate zu strecken, muss man auch alle 28 Monate die Anforderungen für den Erhalt dieser Leistung erfüllen, z.B. dass man nicht mehr als 30 Stunden pro Woche arbeitet. Diese und andere Anforderungen muss man individuell abwägen. Gegebenenfalls verzichtet man eher auf einen gewissen Steuervorteil, erhält dann aber alle Zuwendungen schneller und ist in der Gestaltung seines Erwerbslebens / Arbeitszeit etc. nach einem Jahr bzw. 14 Monaten wieder frei(er).